Der langersehnte Frühling steht in den Startlöchern und während wir uns über die ersten warmen Sonnenstrahlen freuen und uns Gedanken über das richtige Anweiden der Pferde machen, warten unsere Pferde auf die grünen, saftigen Wiesen und Weiden. Laut Meyer und Coenen sollte der Übergang von Stall auf Weidefütterung langsam erfolgen. Ein abrupter Wechsel von trockenem und in der Regel rohfaserreichen eiweißarmen Heu auf das wasserreiche, rohfaserarme, dagegen Kohlenhydrat und eiweißreiche Frühjahresgras kann zu schweren Verdauungsstörungen führen. Durchfall, Aufgasungen und Koliken können unter Umständen auch mit schweren Regulationsstörungen oder Vergiftungen und Hufrehe einhergehen. Aktuelles Hau-Ruck Anweiden um jeden Preis, nur weil das Gras grünt und die Sonne scheint, ist daher eher kontraproduktiv und kann im schlimmsten Fall schwere gesundheitliche Folgen für dein Pferd mit sich bringen. Das Gras ist extrem Zucker und eiweißhaltig, da gehört einfach noch kein Pferd drauf.
Der problemlose Start in die Weidesaison für jedes Pferd liegt mir sehr am Herzen, deshalb habe ich ein paar hilfreiche Tipps zum Thema „Anweiden“ für euch zusammengetragen, denn Vorsicht ist besser als Nachsicht! Mein Wunsch ist es, dass du das Anweiden, die wichtigste Phase des Frühlings unbeschwert genießen kannst, denn sorgfältiges Anweiden und achtsames Fütterungsmanagement entschärft das Krankheitsrisiko vor allem bei Pferden mit empfindlichem Stoffwechsel.
Leider polarisiert das Thema Anweiden in der Pferdewelt sehr und die Meinungen gehen weit auseinander. Bei uns Pferdebesitzern kann sich schnell Unsicherheit. Breit machen, denn wie lange darf das Pferd denn anfangs auf die Weide? Was macht das Gras mit dem Darm und dem Stoffwechsel? In diesem Blogartikel möchte ich euch erklären, wie sicheres Anweiden am besten funktioniert und was die Umstellung von Heu auf Gras für den Pferdekörper bedeutet. Du kannst eine aktive Rolle übernehmen, damit das Anweiden problemlos gelingt.
Kleiner Tipp: Das hat auch ein bisschen mit Training zu tun.
Der Sinn des Anweidens der Pferde
Viele von euch fragen sich bestimmt, warum man ein Pferd überhaupt Anweiden sollte. Richtiges, verantwortungsvolles Anweiden beugt Verdauungsstörungen (Durchfall, Aufgasungen und Koliken) vor und kann helfen schlimmeres (Darmdysbiosen, Vergiftungen und Hufrehe) zu vermeiden. Auch hilft langsames Anweiden die Darmflora des Pferdes gesund zu erhalten.
Der Verdauungstrakt des Pferdes ist extrem empfindlich und reagiert sensibel auf die kleinsten Veränderungen. Die Darmbakterien müssen sich langsam anpassen, d. h. entsprechende Bakterien, die für die Grasverdauung benötigt werden, müssen sich erst ansiedeln. Wird zu schnell angeweidet, kann es zu einem Massensterben der Darmbakterien kommen, welche über den Winter für die Rohfaserverdauung benötigt wurden. Die Bakterienflora kann sich nicht schnell genug an die neue Nahrung anpassen. Eine gesunde Darmflora braucht mindestens 14 Tage, um sich auf einen Futterwechsel einzustellen. Es ist wichtig, mit einer gesunden Darmflora die Weidezeit zu starten! Die Zusammensetzung der Darmflora ist stets abhängig von den Futtermitteln, die dem Pferd gefüttert werden und bei Veränderungen in der Ernährung, müssen neue Darmmikroben herangezogen werden.
Der Wechsel von trockenem und in der Regel rohfaserreichem, eiweißarmen Heu auf das wasserreiche, rohfaserarme, dagegen Kohlenhydrat und eiweißreiche Frühjahresgras stellt eine Herausforderung und Umstellung für die Darmflora dar. Denn diese muss sich erst langsam an die erhöhte Wasseraufnahme gewöhnen.
Der Stoffwechsel spielt beim Anweiden ebenfalls eine signifikante Rolle. Das Nahrungseiweiß muss in körpereigenes Eiweiß umgebaut werden, dieser aufwendige Prozess, auf den sich der Stoffwechsel erst einstellen muss, braucht einfach Zeit. Ein eventueller Eiweißüberschuss in der Phase des Anweidens stellt eine zusätzliche Belastung für die Nieren dar.
Richtiges Anweiden der Pferde – Wann und Wie?
Pferde sollten niemals hungrig auf die Weide gehen, daher ist es wichtig vor dem Anweiden und später vor dem Weidegang ausreichend Heu zu füttern. Der Bewuchs der Wiese sollte immer >15 cm sein. Es ist ratsam, den Anweideprozess auf den Nachmittag oder am besten am Abend zu legen, denn ab Mittags sinkt der Gesamtzuckergehalt und somit auch der Fruktangehalt im Gras. Über Nacht und bis Mittag sind die Fruktanwerte höher als am Spätnachmittag oder Abend.
→ Tipp: Wenn die Pferde mittags gefüttert wurden und deshalb satt auf die Weide kommen, hat man gute Voraussetzungen für ein gesundes Anweiden.
Ich empfehle dir planvoll zu steigern, beginne mit dem täglichen Anweiden am besten an der Hand und nimm dir eine Uhr zur Zeitkontrolle mit. Beginne mit 5 Minuten täglichen Angrasen und steigere die Zeit nach einer Woche auf 10 Minuten pro Tag. Nach Ablauf der zweiten Woche kannst du die Weidezeit jeden Tag um 5 Minuten verlängern.
Auch die tägliche Bewegung ist beim Anweiden wichtiger denn je, denn wie bereits erwähnt, stellt das Gras eine große Veränderung für die Darmflora dar. Der große Bauch muss bewegt werden, damit das verspeiste Gras auch wieder seinen Weg nach draußen finden kann. Bewegung direkt nach dem Gras fressen ist immer eine hervorragende Idee, da durch Bewegung der Blutzuckerspiegel gesenkt und Koliken vorgebeugt wird. Auch hilft Bewegung dem Pferd bei der Verdauung des Grases und die Nährstoffnutzung wird gefördert.
Pferde gasen bei Veränderung der Futtermittel schnell auf, was eine große Gasproduktion zur Folge hat. Mancher Pferdefreund hat das auch selbst schon erlebt, man holt die Pferde von der Weide und sie sehen aus als hätten sie einen Ballon verschluckt.
→ Pferde dürfen so nicht in die Box, sondern müssen unbedingt bewegt werden!
Die Weidezeiten sollten idealerweise über einen Zeitraum von 3 bis 4 Wochen schrittweise verlängert werden bis schließlich ganztägiger Weidegang erfolgen kann. Während der gesamten Weidezeit sollte der Kot kontrolliert werden. Bei dünner werdendem Kot, Geruchsauffälligkeiten, Auftreten von Kotwasser/Durchfall muss die Weidezeit sofort wieder verkürzt werden.
→ Pferde, die bereits angeweidet waren, aber aus irgendwelchen Gründen (Krankheit, Stallwechsel etc.) über einen längeren Zeitraum von mehreren Tagen oder gar Wochen nicht mehr auf der Weide waren, müssen erneut angeweidet werden.
Was passiert eigentlich genau mit dem Gras im Frühjahr?
Im Frühling hat das Gras einen hohen Fruktananteil, der bei Wärme und Feuchtigkeit abgebaut wird. Gras wächst bei Wärme und Feuchtigkeit, und verbraucht während des Wachstumsprozesses Fruktan. Wenn das Gras nicht wächst kann es seine Energie nicht verbrauchen, dies resultiert in Stress und hohem Fruktangehalt.
Die Witterung beeinflusst das Gras, deshalb ist die ideale Weidezeit eher am Nachmittag oder gegen Abend, sofern die Pflanzen genug Wärme und Feuchtigkeit zum Wachsen haben. Nur dann wird der Fruktanspeicher im Gras abgebaut; bei Frost und Sonne, fehlt dem Gras die Wärme zum Wachsen und es ist ein massiver Fruktangehalt im Gras, dies hat eine hohe Gefahr für Hufrehe zur Folge.
Von Frühjahr bis Sommer nimmt die Rohfaser im Gras zu, und das Eiweiß und der Gesamtzucker in der Pflanze nehmen ab. Grundsätzlich gilt, je kürzer und jünger das Gras, umso mehr Eiweiß und Zucker enthält es. Dementsprechend ist es sinnvoll mit dem Anweiden der Pferde zu warten, bis das Gras mindestens 15–20 cm hoch ist.
Definition Fruktan – eine kurze Erklärung
Fruktan, ein Kohlenhydrat, ist ein langkettiges, wasserlösliches Zuckermolekül. Es dient dem Gras als Energiespeicher, wenn ein Überschuss an Energie durch die Photosynthese vorhanden ist. Der Fruktangehalt der einzelnen Gräser variieren je nach Sorte. Es gibt keinen Einheitswert. Wie viel Fruktan letztendlich gespeichert wird ist abhängig von der Art der Gräser, der Umgebungstemperatur und der Sonneneinstrahlung. Der Fruktangehalt sinkt im Laufe des Tages mit dem Gesamtzuckergehalt und steigt in der Nacht wieder an. Bestimmte Arten von Gräsern wie z.B. der Wiesenschwingel und insbesondere das Deutsche Weidelgras bilden viel Fruktan, der Wiesenfuchsschwanz und der Rotschwingel dagegen wenig. Der Fruktangehalt im Gras ist im Frühjahr (April/Mai) am höchsten, von Mai bis August sinkt der Wert und steigt zum Herbst hin wieder deutlich an. Die herbstlichen Höchstwerte sind im Oktober und November erreicht, weshalb auch im Herbst besondere Vorsicht geboten werden muss, hier verhält es sich wie mit dem Anweiden der Pferde im Frühjahr.
Wann droht Gefahr beim Anweiden der Pferde?
Wie viel Fruktan von der Pflanze gebildet wird und das damit verbundene Risiko beim Grasen, bestimmt u.a. die Art der Gräser, die Nährstoffe im Boden, die Temperatur (Nachts und Tagsüber) und die Sonneneinstrahlung.
Quelle: PFERDE.WORLD
Zusammenfassend kann man sich hinsichtlich Fruktan folgendes merken:
- Je höher das Gras, desto weniger Fruktan beinhaltet es (da es gewachsen ist und somit Fruktan verbraucht hat)
- Der Fruktangehalt sinkt bei Temperaturen über 8 Grad am Tag und in der Nacht (da Gras bei Wärme wächst)
- Der Fruktangehalt sinkt bei ausreichend Regen (da Gras bei Feuchtigkeit wächst)
- Wenn das Gras gestresst ist und somit nicht wachsen kann steigt der Gehalt an Fruktan. Das ist bei Niederschlagsmangel, Kälte und abgefressenen Weiden (Verbiss) der Fall.
- Besonders gefährlich ist, wenn viel Sonne und Frost bzw. Kälte vorhanden ist. Die Photosynthese kann hier ablaufen, aber die produzierte Energie wird nicht in Wachstum umgewandelt.
Hufrehe und Koliken
Wenn es ums anweiden geht, ist die Besorgnis bezüglich Krankheiten wie Hufrehe und Koliken sehr groß und Pferdebesitzer sind oft sehr verunsichert und möchten natürlich alles richtig machen. Doch die einzige entscheidende Frage in der alltäglichen Praxis ist was letztlich der Auslöser für Koliken, Durchfälle oder Hufrehe ist.
→ Fakt: Nicht nur Fruktan, sondern jeder abrupte Futterwechsel kann diese Erkrankungen auslösen.
Dies gilt allerdings auch für den plötzlichen Übergang von der Stallfütterung auf die Weidezeit. Die alte Binsenweisheit, dass Pferde zu Beginn der Saison langsam angeweidet werden müssen, behält nach wie vor ihre Gültigkeit. Dank diverser Forschungsarbeiten wissen wir, dass der Fruktangehalt der Gräser im Frühjahr (Hauptwachstumszeit des Grases) besonders hoch sein kann.
Hufrehe ist (abgesehen von der Überlastungsrehe) immer die Folge einer vermehrten Gifteinwirkung auf den Organismus. Die Gifte können von außen kommen (z. B. verdorbene oder ungeeignete Futtermittel) aber auch manche Arzneimittel wie z. B. Kortisonpräparate lösen gehäuft Hufrehe aus. Manchmal – und das ist meistens der Fall: stammen die Gifte aus dem Organismus selbst.
→ Hufrehe entsteht im Darm!
Schon kleine Änderungen in der Fütterung führen zu Umschichtungen der Dickdarmflora. Was sich so harmlos anhört, ist in Wirklichkeit evtl. millionenfaches Massensterben mit Freisetzung von „Leichengiften“. In den Zellwänden der gramnegativen Dickdarmmikroben befinden sich sogenannte Lipopolysaccharide, die, wenn sie beim Absterben freigesetzt werden, als Endotoxine den Organismus schlagartig mit Gift überschwemmen. Dadurch können schwere Gesundheitsstörungen wie Durchfälle, Koliken, Leberschäden, aber auch Hufrehe ausgelöst werden. Deshalb sollten Risikopatienten später im Jahr aufs Gras gestellt und früher wieder runtergebracht werden.
→ Besondere Aufmerksamkeit und Wachsamkeit ist bei kolikempfindlichen- und hufreheanfälligen Pferden unabdingbar!
Auf der Koppel steht doch nichts, also besteht für die Pferde keine Gefahr beim Anweiden
Leider hört man im umgangssprachlichen Jargon regelmäßig, dass auf der Koppel „nichts darauf ist“ und die Pferde deshalb ruhig den ganzen Tag auf der Weide bleiben können. Diese Aussage ist nicht nur falsch, sondern schlichtweg gefährlich. Pferde mit Stoffwechselproblemen sollten keinesfalls auf Magerweiden grasen.
→ Das ist ein Irrglaube! Je kürzer das Gras, desto konzentrierter ist der Fruktananteil.
Das Gras versucht zu wachsen, kommt allerdings nur sehr langsam voran und steht deshalb unter Stress. Das raspelkurz gefressene oder abgemähte Gras ist gestresst und bunkert hohe Mengen an Fruktan – vor allem im Stängel. Solch eine Weide ist für Pferde nicht empfehlenswert, vor allem nicht für Risikopatienten und Pferde, die abnehmen sollen. Auf einer Weide auf der ganz offensichtlich „nichts“ steht nehmen Pferde durch die abgefressene Grasnarbe extrem viel Zucker und somit Fruktan auf. Je höher eine Pflanze hingegen ist, desto mehr Fasern und weniger Nährstoffe enthält sie. Kurze Halme sind also um einiges riskanter als überständige Gräser. Sind energiearmen Gräser längst dem gierigen Pferdemaul zum Opfer gefallen, stehen nur noch die Überlebenskünstler: Und das sind Grassorten mit hohen Energiespeichern und vielen Fruktanen. Gut für die Grasnarbe, schlecht für rehegefährdete Tiere.
Hast du Fragen zum Thema Anweiden?
Wie hast du den Anweideprozess bisher gestaltet?
Vielleicht lief es ja letztes Jahr nicht wie geplant und du möchtest dieses Jahr alles anders und besser machen?
Melde dich bei mir, ich freue mich auf deine Fragen und Erfahrungen!
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Ein schönes Video zum Thema Anweiden der Pferde findest du hier.